Ich über mich
Mit acht Jahren schrieb ich voller Begeisterung meinen ersten Aufsatz, mit zehn den ersten Roman. Ich schenkte ihn meiner Cousine zu Weihnachten und ließ alle Akteure gnadenlos sterben, sogar der Hund brach am Grab der Heldin zusammen.
Alsdann verkündete ich meiner erstaunten Familie, Schriftstellerin werden zu wollen und erntete beleidigende Heiterkeitsausbrüche; denn die Schriftstellerei, so bedeutete man mir, beschere ein echtes Hungerleider-Dasein, also nichts, was man sich für den Nachwuchs wünsche.
Deshalb eine ordentliche Ausbildung, ein Studium an der Bayerischen Verwaltungsschule, die angestrebte Beamtenlaufbahn ... ade, ihr schönen Träume! Oder nicht? Richtig. Mein Sinn für Dramatik und einen guten Plot brach sich Bahn. Sofort nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung kündigte ich zum Entsetzen aller die sichere Position, arbeitete fortan in einem Werbeverlag, in einer Anwaltskanzlei, in einem Großkonzern – und schrieb. Ich heiratete, bekam ein Kind, ließ mich scheiden, heiratete wieder, blieb berufstätig - und schrieb. Am Abend, am Wochenende, im Urlaub. Meine ersten Kurzgeschichten, die ersten Romane wurden verkauft, die ersten Drehbücher verfasst. Und als ich frohen Herzens feststellen konnte, dass die Schriftstellerei kein Hungerleider-Dasein für mich bedeuten würde, kündigte ich meine Stellung in der freien Wirtschaft und wurde, was ich mir schon als Kind gewünscht hatte: freie Schriftstellerin. Über Nacht, sehr zu meiner eigenen Überraschung, galt ich als Talent sowohl heiterer als auch ernster Stoffe und erhielt als Drehbuchautorin den Adolf-Grimme-Preis und den TeleStar.
Glauben Sie mir – ich bin sehr dankbar, dass das Schicksal es so gut mit mir gemeint hat: Ich durfte mein Hobby zum Beruf machen. Wer hätte das gedacht, als der arme Hund am Grab meiner Heldin zusammenbrach?